Die Scrum-Buts

Wie oft ich das schon gehört habe: “Ja klar: Wir machen Scrum, aber…” Dann kommt da immer irgendwas. Meistens getarnt als eine tiefere Einsicht in das Framework wird dann nachgeschoben: “…aber halt nicht so streng nach Vorschrift” oder “…aber unser Daily ist nur alle zwei Tage.”

Wenn man etwas Glück hat, wird noch ein selbstkritisches “…bei uns klappt das nicht!” angehängt, was zumindest schon mal etwas ehrlicher ist, aber am Ende doch die Kausalität verdreht.

Der Spruch “…bei uns klappt das nicht!” legt zwar den Schluss nahe, dass für die betreffende Organisation (“bei uns”) Scrum (“das) nicht das richtige Vorgehensmodell ist, aber es legt eben auch nahe, dass das irgendwie an Scrum liegt – und nicht an dem “bei uns”.

Es ist ja nicht so, dass “das” nicht funktioniert, sondern vielmehr dass Scrum verhältnismäßig kompromisslos ist, wenn es darum geht, die eigene Identität zu wahren. Das ist auch nur zu verständlich, denn bei dem Wenigen, das Scrum definiert, kommt schon etwas ganz anderes heraus, wenn man etwas weglässt, verändert oder hinzu fügt.

Ken Schwaber vergleicht es mit Schach:

Scrum is like chess. You either play it as its rules state, or you don’t. Scrum and chess do not fail or succeed. They are either played, or not.

Man stelle sich vor, man trifft auf einer Schach-Konferenz auf einen passionierten Schachspieler, der verkündet: “Ja natürlich spiele ich Schach, aber die Springer dürfen bei mir nur gerade aus laufen und wir spielen mit einer zweiten Dame statt dem König. Schach-by-the-book hat bei mir nicht funktioniert.”

Schach wie auch Scrum per se funktionieren nicht, sie geben nur ein Rahmenwerk vor, das von Menschen mit Handlungen ausgefüllt wird.

Wenn Scrum „nicht klappt”, dann sagt das erst mal nichts über das Framework aus, sondern vielmehr darüber, dass die Organisation und die Menschen in der Organisation aus irgendwelchen Gründen mit der Anwendung des Frameworks in ihrer Arbeit nicht weiterkommen.

Das ist grundsätzlich auch nicht schlimm. Denn Agiles Arbeiten braucht nicht unbedingt Scrum.

Was am Ende zu einem “Wir machen Scrum, aber…” führt ist der Umstand, dass viele Organisationen, die sich für eine Einführung von Scrum entscheiden, Simon Sineks Golden Circle von außen nach innen denken.

Statt sich zu fragen, warum ein agiles Vorgehen (vielleicht Scrum) das Richtige für das Unternehmen sein kann, beginnen diese Organisationen mit dem Handeln, mit Events und Artefakten. Und weil die eben bei Scrum recht griffig beschrieben sind, ist es dann eben Scrum.

Bietet die Organisation oder die Menschen in ihr Hürden und Widerstände, greift man zum “aber” und adaptiert sich eine Methode zurecht. Das ist auch völlig okay, solange man ein Ziel – ein Why – hat, das man mit dem Vorgehen verfolgt.

Lieber als ein “Wir machen Scrum, aber…” wären mir zwei Statements, die faktisch das gleiche beschreiben, aber ein völlig anderes Mindset zeigen:

“Wir machen noch kein Scrum, aber…”

Übersetzungshilfe: Wir sind uns im Klaren darüber, dass unser Vorgehen kein Scrum-by-the-book ist. Wir wissen, dass es noch kein Scrum ist, aber der Weg, den wir beschreiten, führt uns dorthin. Das “Aber” in diesem Satz schließt nicht die Scrum-Elemente aus, die man aus organisatorischen Zwängen kippen musst, sondern schließt stattdessen die Elemente ein, die man schon erfolgreich implementieren konnte.

“Wir arbeiten agil. Wir machen zwar kein Scrum, aber…”

Übersetzungshilfe: Wir sind uns im Klaren darüber, dass Agilität kein Scrum-by-the-book braucht. Wir wissen dass Agilität eine Haltung ist, und dass das Vorgehensmodell nur diesem Zweck dient. Wir haben erkannt, dass einige Elemente aus dem Scrum Framework diesem Zweck dienen und wir setzen sie ein.


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